Holocaust
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“
Gedenkworte am 27.01.2019 bei der Kranzniederlegung
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus von Maximilian Tauscher
Johanna Lutteroth schrieb:
"Am Mittwoch wird in der Nähe von Dachau das erste Konzentrationslager mit einem Fassungsvermögen für 5000 Menschen errichtet werden." Knapp und sachlich skizzierte Heinrich Himmler, SS-Chef und frisch ernannter Polizeipräsident von München, am 20. März 1933 vor Journalisten die geplanten Neuerungen im bayrischen Strafvollzug. "Hier werden die gesamten kommunistischen und soweit notwendig Reichsbanner- . . und marxistischen Funktionäre, die die Sicherheit des Staates gefährden, zusammengezogen." Das Innenministerium und die Polizei seien überzeugt, dass die "Maßnahme" zur "Beruhigung der gesamten nationalen Bevölkerung" beitrage.
Dass ihn die Grundrechte der betroffenen Personen wenig scherten, machte er im selben Atemzug klar: "Im Interesse der Sicherheit des Staates müssen wir diese Maßnahmen treffen ohne Rücksicht auf kleinliche Bedenken." Die Botschaft war eindeutig: Wer politisch nicht spurt, landet in Dachau. Am folgenden Tag konnten das die Deutschen in nahezu allen Zeitungen lesen. Sogar die "New York Times" brachte die Meldung auf der ersten Seite.
Himmlers Drohung war weltweit gehört und nur zu gut verstanden worden. Die Angst vor der Willkür der neuen Machthaber ging schon seit Wochen um. Seit dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wüteten SA und SS-Einheiten auf den deutschen Straßen, nahmen nach Gutdünken vermeintliche Staatsfeinde unter dem Vorwand der "Schutzhaft" fest und pferchten sie in eigenmächtig errichteten sogenannten Konzentrationslagern ein, für die sie den Platz in alten Schulen, Turnhallen oder leer stehenden Fabrikgebäuden fanden. Mehr als 40.000 Menschen landeten im Frühjahr 1933 in diesen "wilden Lagern".
Dachau war zwar nicht das erste Konzentrationslager, in den ersten Jahren der NS-Herrschaft war es aber das mit Abstand berüchtigtste. Denn hier setzte Himmler seine Vorstellungen von einem reibungslos funktionierenden Terrorregimes unter der Regie der SS eins zu eins um. Er schuf in Dachau den Prototyp des Vernichtungsapparats, der allen späteren Konzentrationslagern als Modell diente. Systematisch wurden hier die Häftlinge gefoltert, geprügelt und durch harte Sklavenarbeit körperlich zugrunde gerichtet. Dachau war die "Keimzelle des nationalsozialistischen Terrors", wie es der Historiker Wolfgang Benz formulierte.“
Eugen Kogon, der selbst von 1938 bis zum 11.April 1945 in Gestapohaft und dann auch dreieinhalb Jahre im KZ Buchenwald war, schreibt in seinem Buch „ Der SS-Staat“:
„Die SS, wie sie Himmler gedacht und geschaffen hat, war doppelgesichtig: der Ausbildung der neuen Herrenschicht zugewandt und andererseits der Ausschaltung jeder Gegnerschaft. Der Grundsatz eines der schlimmsten römischen Kaiser: „Mögen sie mich hassen, solange sie mich nur fürchten!“ war auch Himmlers Grundsatz und Liebe erwartete er nur von der Schicht der Herrenauslese, seiner SS. So zog er ein „Angst vor Terror“-System über das ganze Land, das in der Geschichte der Kulturvölker seinesgleichen sucht. Die Konzentrationslager waren nur der stärkste Ausdruck dieses Systems, das vielfältig alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erfasste, und zugleich das wirksamste Mittel..Der Hauptzweck der KL war die Ausschaltung jedes wirklichen oder vermuteten Gegners der nationalsozialistischen Herrschaft. Absondern, diffamieren, entwürdigen, zerbrechen und vernichten - das waren die Formen, in denen der Terror in Wirklichkeit trat. Je drastischer, umso besser, und je gründlicher, umso nachhaltiger. Dabei kam es nicht auf „Gerechtigkeit“ an; lieber zehn Unschuldige hinter Stacheldraht setzen, als einen wirklichen Gegner aus dem Auge verlieren. In den KZ erhielten die SS-Totenkopfverbände ihre Härteausbildung. Zu diesem Zweck wurden alle Hass-, Macht-, und Unterdrückungstriebe wachgerufen und durch Praxis wie Anschauung in den KZ bis zur Weißglut entfacht. Unerbittliche, keiner menschlichen Regung mehr zugängliche Fachleute der Brutalität- das war es, was Himmler brauchte, wenn es galt, nicht nur das deutsche Volk im Zaum zu halten, sondern auch der Vielfalt der Welt mit ihren „minderwertigen Rassen“ Herr zu werden.“
„Damit Ihr stahlharte deutsche Männer werdet und nicht als Weichlinge vor diesen Untermenschen steht.“ pflegte der Traditionsträger Eicke, der Häuptling des Totenkopfverbandes zu sagen.“
„Himmler und der SD nützten die KL auch dazu aus, den angeblichen Fortschritt der Menschheit durch wissenschaftliche Experimente großen Stils zu fördern. Warum sollte man Wesen, die ohnehin zur Vernichtung bestimmt waren, nicht vorher noch nutzbringend ausschlachten? Ist der Wunschtraum nicht alt, man möchte genügend viele „Verbrecher“ zur Hand haben, um an ihnen die schädigende oder heilende Wirkung gewisser Gifte zu erproben? Hier waren die „Verbrecher“ zu Zehntausenden. Und welch ein ideales Wirkungsfeld: gegen jede „humanitäre Gefühlsduselei hermetisch abgeschlossen, durch eifersüchtelnde Wissenschaftler nicht kontrollierbar, von keinem Problem der Freiwilligkeit behindert- was brauchte der medizinische Herrentyp des künftigen Jahrtausends, der SS-Arzt, mehr.“
Herr Wolfgang Templin hatte mich 2016 im Nachgang zu meiner Ansprache am 8.Mai auf Wolfgang Abel aufmerksam gemacht, der im Adressverzeichnis 1937 von Kleinmachnow mit der Adresse Machaweg 12, Privatdozent ausgewiesen ist. Er war Anthropologe und Rassebiologe der mit dem berüchtigten Auschwitz-Arzt Mengele zusammengearbeitet hat.
Planmäßige Massentötungen in den Konzentrationslagern 1941 – 1945,
Nicola Wenige schrieb:
„Parallel zur Ausweitung der Sklavenarbeit wurden die Konzentrationslager in den Dienst einer radikalisierten Rassenpolitik gestellt, die im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, in gezielten Tötungen an kranken und behinderten Menschen sowie im systematischen Massenmord an der jüdischen sowie der Roma- und Sinti-Bevölkerung kulminierte. Mord und Gewalt nahmen auch in den Lagern mit gezielten Massentötungsaktionen eine neue Dimension an. Es wurden mindestens 50.000 sowjetische Kriegsgefangene hingerichtet, die als "Politische Kommissare" sowie Kommunisten und Juden aus den Kriegsgefangenenlagern selektiert und in ein KZ überstellt worden waren.
Der 1942 einsetzende organisierte Völkermord an der jüdischen sowie der Roma- und Sinti-Bevölkerung, die seit 1941 nach Osten deportiert worden war, vollzog sich nicht nur in den Vernichtungslagern wie
Chelmno, Belzec, Treblinka und Sobibór,
sondern auch und gerade in den Konzentrationslagern, darunter die Lager Auschwitz und Lublin (Majdanek), die ab 1942 in den systematischen Genozid einbezogen wurden. Hier selektierte die SS zwischen Arbeitsfähigen, die durch Zwangsarbeit vernichtet werden sollten, und den "Übrigen" – insbesondere Kinder, Alte und Schwache –, die sofort nach der Ankunft in Gaskammern ermordet wurden. Die beiden Lager wurden zu Zentren des millionenfachen Massenmordes.“
In Spiegel Online 2014 berichtet Claus Hecking aus Sobibór
„Nirgends haben die Nazis ihre Tötungsmaschinerie so perfektioniert wie im abgelegenen Osten Polens. Unter dem Codenamen "Aktion Reinhardt" planten sie unter Leitung der SS-Funktionäre Odilo Globocnik und Christian Wirth drei Lager: Sobibór, Belzec, Treblinka. Mit einem Ziel: sämtliche Juden des "Generalgouvernements" im besetzten Polen systematisch zu liquidieren. Anders als Auschwitz waren Sobibór, Belzec und Treblinka von Anfang an reine Vernichtungslager. Nur die wenigsten Neuankömmlinge wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt, der Rest wurde direkt vom Güterwaggon in die Gaskammern geschickt, nach einer grausam ausgefeilten Logistik. Geschätzte 1,4 Millionen Juden aus Polen, den Niederlanden, Deutschland und anderen Staaten starben in den drei Lagern: mehr als in Auschwitz-Birkenau, dem Synonym für industriellen Massenmord.
Im Gegensatz zu Auschwitz hinterließ die "Aktion Reinhardt" keine Baracken, keine Berge von Brillen, Schuhen oder Menschenhaar, keine sichtbaren Überbleibsel von Vernichtungseinrichtungen. Mitten im Krieg machten sich die Verbrecher daran, nach den Juden auch ihre eigenen Spuren methodisch auszulöschen: Zwischen November 1942 und Dezember 1943 exhumierten sie Leichen, töteten fast alle verbliebenen Insassen der drei ostpolnischen Lager und verbrannten sämtliche sterblichen Überreste. Die Mörder vernichteten Pläne und Dokumente, schleiften die Gebäude bis auf die Grundmauern und schafften die Trümmer weg. Sie ebneten Gelände ein, pflanzten Wälder, siedelten Bauernhöfe an. Die "Aktion Reinhardt" war geheime Reichssache. Sie sollte das perfekte Verbrechen werden.
Der Mordapparat war ungeheuer effizient: Etwa 30 SS-Leute und 120 osteuropäische "Hilfswillige", unter ihnen John Demjanjuk, genügten, um in Sobibór zwischen 170.000 und 250.000 Juden umzubringen. Nicht mehr als 50 Insassen, die bei einem Aufstand ausbrachen, überlebten den Krieg. In Treblinka kamen auf fast 800.000 Tote etwa 60 Überlebende. In Belzec, wo mehr als 430.000 Menschen umgebracht wurden, retteten sich acht Menschen.
Deswegen sind die "Aktion Reinhardt"-Lager heute längst nicht so berüchtigt wie Auschwitz: Weil es nur wenige Zeugen gab, die der Nachwelt ihr Schicksal erzählen konnten. Weil kaum Bilder aus den drei Todescamps aufgetaucht sind. Und weil keine einzige Gaskammer freigelegt wurde. Bis jetzt - bis zu den Funden von Sobibór 2014.“
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“
Holocaust
Worterklärung
Das Wort "Holocaust" stammt von dem griechischen Wort "holókaustus" und bedeutet "völlig verbrannt". Der Begriff wird verwendet, wenn von der systematischen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen während des Nationalsozialismus gesprochen wird. Im Hebräischen spricht man von "Schoah", was auch "große Katastrophe" bedeutet.